Drämmli Geschichte
Wie das Basler «Drämmli» seinen Platz im Garten fand
Vorgeschichte
Als ich Ende der 70er Jahre in Hochwald spazieren ging, traute ich meinen Augen nicht. Erblickte ich doch in einem grossen Garten einen Basler 2-Achser Motorwagen. Ja – in Originalgrösse versteht sich. Jahre später kontaktierte ich die Besitzerfamilie mit der Bitte ein paar Fotos für eine Website zu knipsen. Der Wagen war nun bereits mit einer Holzkonstruktion überdacht. Der Besitzer konnte manche interessante Geschichte zum Tram erzählen.
Aktivzeit des 209er
Die Basler Verkehrs-Betriebe BVB kauften damals diese Motorwagen in 5 Serien (N°173-216) Gebaut von der Schweizerischen Industrie Gesellschaft, Neuhausen (SIG) Unter anderem auch den Wagen Be 2/2 N°209 / Jahrgang 1933 (aus 5. Serie N°207-216) für den Preis von 64'760.- CHF. Das knapp 9,5 Meter lange und 13,2 Tonnen schwere Fahrzeug stammt aus der 5. Serie N°207-216. Die Fahrzeuge standen damals auf allen Linien im Einsatz. Die letzten dieser Zweiachser verkehrten bis 1979 im Fahrplanverkehr. Bereits am 31.12.1978 wurde der besagte Wagen N°209 «zum Wacker» ausrangiert.
Erhaltene Wagen
Im Jahr 2022 sind nur noch drei Fahrzeuge der 5. Serie erhalten.
209 Privatbesitz CH
213 Sporvejsmuseet Skjodenaesholm DK
215 Basler Verkehrs-Betriebe BVB
Einmalige Gelegenheit
Durch einen Kollegen erfuhr Werner, dass der besagte Wagen N°209 bei der BVB soeben ausgemustert war und im Depot Wiesenplatz auf sein vermeintliches Ende wartete.
Werner der «Drämmli-Liebhaber» nutzte die Gelegenheit um seinen Traum zu verwirklichen: Ein «Apérodrämmli» im eigenen Garten.
Nun sollte es also Realität werden!
Für die Innenausstattung nähte die Tochter bereits hübsche Vorhänge für die Fenster.
Ansprechende kleine Tische wurden gezimmert.
Mit der entsprechenden Betriebsspannung versorgte man später die Bordelektrik, stilecht über den Stromabnehmer, um zumindest die Beleuchtung betreiben zu können.
Kein Problem für Werner als gelernter Elektriker dies zu realisieren.
Eigentlich befand sich der Wagen in fahrtauglichem Zustand – und ist dies auch heute noch. Ursprünglich bestand die Idee ein längeres Gleis zu verlegen um ein paar Meter in den Garten hinaus fahren zu können. Diese Idee wurde aber dann doch nicht realisiert.
Transport / Überdachung
Die ganze Familie packte bei den Vorbereitungsarbeiten beherzt an.
Vater, Mutter und zwei Kinder in Aktion. Auch einige Bekannte und Freunde packten tatkräftig an und leisteten viele freiwillige Arbeitsstunden an diesem Projekt.
So wurde der Platz ausgehoben und geebnet, der Schotter auf dem planierten Platz aufgebracht, Schwellen gelegt und Schienen mit einem ausgeliehenen Schrauber festgezogen. Endlich bereit das Fahrzeug aufzunehmen.
Mit einem Tieflader brachte eine Transportfirma den Tramwagen vom BVB Depot Wiesenplatz zum Grundstück nach Hochwald (SO). Der monströse Auslegerkran hob das 13 Tonnen schwere Gefährt präzise auf das vorbereitete Gleis.
Nun stand es also da, das Basler Tram.
Zugegeben - schon ein etwas ungewohnter Anblick, so mitten auf der Wiese
weit abseits der Stadt.
Von Anfang an war jedoch klar, dass eine geschlossene Überdachung montiert werden musste. So lauten die geltenden Vorschriften der Gemeinde.
Der Unterstand – auf drei Seiten geschlossen – mit Fenstern ausgestattet sollte nun also «unser Drämmli» beherbergen und vor Witterungseinflüssen schützen.
Das zweite Leben - im Privatbesitz
Jetzt hatte die Familie eine «Attraktion» für ihre Freunde und Bekannten anzubieten. Bei manchem geselligen Apéro erzählte man Anekdoten und Geschichten zum Tramwagen. Das Staunen in den Gesichtern der Gäste blieb nicht aus. Ein wenig mutig muss man schon sein umso ein aussergewöhnliches Projekt zu realisieren. Vielleicht auch ein bisschen «verrückt». Aber war wäre diese Welt ohne Fantasten …
Die Jahre gingen ins Land
So stand das Tram schon über 44 Jahre hier im Garten. Gut geschützt und daher noch recht gut erhalten. Auch die Besitzer sind älter geworden und man musste sich überlegen wo auch das «Drämmli» seinen Lebensabend verbringen kann. Wird das Grundstück verkauft so kann man dem Käufer eigentlich nicht zumuten auch noch dieses Gefährt zu übernehmen. Der jetzige Besitzer möchte aber, dass der Wagen in gute Hände gelangt.
Zukunft des «Drämmli»
Nun war zu überlegen wie man einen Interessenten für das Tram finden könnte.
Etliche Stellen wurden angeschrieben wo ein Interesse zu erwarten war.
Auf einer öV Website publizierte man ein «Inserat»: Basler «Drämmli» sucht neuen Platz.
Die Basler Zeitung meldete sich mit der Bitte einen Artikel schreiben zu dürfen.
Ein Journalistenteam kam zu Besuch um sich einen Eindruck der Situation zu verschaffen.
Kurze Zeit später erschien der gut gemachte Artikel: «Garten-Drämmli» braucht neuen Liebhaber.
Einige Interessenten meldeten sich auch prompt. So gab es spannende Ideen für die neue Zwecknutzung: Zum Beispiel als Büchertram, Lesestube mit kleiner Bibliothek. Ein Betrieb wollte mit den Lehrlingen das Gefährt aufarbeiten und als Aufenthaltsraum nutzen.
Bei einigen eifrigen Liebhabern kam aber schnell die Ernüchterung als sie sich bewusst wurden welche Hürden noch zu überwinden sind bis das Tram am neuen Standort zu stehen kommt. - Bewilligung bei der Gemeinde / Stadt einholen. Einsprachefrist abwarten -
(«Die lieben Nachbarn» haben auch noch ein Wort mitzureden). Auf- / Ablad und Transport.
Umgebungsarbeiten am neuen Ort – Eine Überdachung bauen und viele kleine Details mehr.
Das dritte Leben – Der verlängerte Lebensabend
Die Verhandlungen mit den Interessenten zogen sich bis Anfang 2023 hin. Mitte Jahr erfolgte dann die ersehnte Zusage des künftigen Besitzers den Tramwagen 209 «zum Wacker» zu übernehmen. Der Verein Station Circus hatte sich entschlossen den Wagen in seine Obhut zu nehmen.
Abtransport
Am Samstag 17. Juni 2023 nahmen ein motiviertes Team des Zirkus die Arbeiten zum bevorstehenden Transport in Angriff. So mussten einige Vorarbeiten erledigt werden. Anschliessend hob man den Wagen auf zwei fahrbare Untergestelle und zog das Gefährt aus dem Garten. Gegen Abend verschob man das Drämmli mit einem Zugfahrzeug nach Basel auf das Zirkusareal beim Dreispitz, wo dieses auch wohlbehalten ankam.
Neuer Platz für das «Drämmli»
Auf dem Zirkusgelände «Station Circus», zwischen Wolfsgottesacker und Depot Dreispitz unweit seiner «Tram-Oldtimer Kollegen» im benachbarten Trammuseum Basel wird er nun sein Dasein draussen auf dem Platz als origineller Bistrowagen die Besucher der Zirkusvorstellungen erfreuen.Die Inneneinrichtung mit den kleinen Tischen eignet sich bestens zum gemütlichen Verweilen.
Nun hat Basel also eine Attraktion mehr bekommen - sein erstes «Zirkus-Drämmli».
Basel tickt anders …..
von Thomas Meyer
Stand: Juni 2023